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Liquid bleiben!

Was tun, wenn Anleihen zur Rückzahlung fällig werden? Was tun mit dem Erlös aus Aktienverkäufen? Nicht falsch ist es, wenn man derzeit nichts tut und in Ruhe die Entwicklung an der Zinsfront und auf den Aktienmärkten abwartet.

Das war in vergangenen Zeiten noch anders. Da konnte man liquide Mittel getrost in Anleihen oder Kassenobligationen von kurzer bis mittlerer Laufzeit investieren und auf die Rückzahlung warten. Oder noch einfacher, man liess sie auf einem Anlagekonto stehen. Mit angemessenen Zinsen wurde man dafür belohnt. Die Risiken waren so gut wie null. Gute alte Anlagezeiten, oder?

Der Faktor Inflation

Das Fragezeichen ist berechtigt. Die auf Jahresbasis erzielte Rendite muss nämlich um die Inflationsrate bereinigt werden. Was nützt einem Anleger und Konsumenten eine Rendite von 3 %, wenn in der gleichen Zeit der Landesindex der Konsumentenpreise um 4 % steigt? Er verliert 1 % an Kaufkraft. Dieser Index entspricht der Inflationsrate. Dank einer harten Landeswährung haben wir im Vergleich zum Ausland bei uns in der Schweiz deutlich tiefere Inflationsraten. Im Moment liegt sie bei minus 1,1 %. Die Prognose für das nächste Jahr liegt bei plus 0,1 %. In den 1990-er Jahren lag sie noch zwischen 2 – 4 %, im folgenden Jahrzehnt zwischen 1 – 2%, mit einer einmaligen Spitze im Jahr 2008 von 3 %. Wenn wir liquide Mittel also auf einem zinslosen Konto belassen, erzielen wir in diesem Jahr eine indirekte Rendite von 1,1 %. Und diese fällt notabene steuerfrei an! Man verpasst also nichts, selbst wenn man grössere Beträge für einige Monate brach liegen lässt. Nur zum Vergleich: Für die 4 %-Anleihe der Holcim mit einer Restlaufzeit von 3 Jahren bezahlt man an der Börse einen Kaufpreis von 111 %, plus Courtage und Depotgebühr. Daraus resultiert eine Rendite auf Verfall von ziemlich genau ebenfalls 0 %.

Mehr Rendite bei schlechter Bonität

Der schweizerisch-französische Zementkonzern Lafarge-Holcim ist bonitätsmässig erstklassig. Natürlich lassen sich an der Börse auch Obligationen von Unternehmen finden, die bei wesentlich schlechterer Bonität noch relativ hohe Renditen auf Verfall aufweisen. Aber werden sie am Verfalltag auch wirklich zurückbezahlt? Das ist das Risiko, das der Anleger eingeht. Ich greife zwei Beispiele heraus. Das angeschlagene schweizerische Solartechnik-Unternehmen Meyer-Burger hat eine 5 %-Anleihe ausstehend, die in anderthalb Jahren zur Rückzahlung fällig wird. Der Börsenkurs liegt um 98 %, was eine Rendite nach Transaktionskosten von gegen 6 % ergibt. Oder die 4 %-Anleihe der österreichischen Raiffeisenbank International 2013-23 ist derzeit für rund 96 % zu erwerben. Das entspricht einer Rendite von 4,5 %, wenn man bis 2023 durchhält. Aber die Bank hat stark in osteuropäische Länder expandiert, was ihre Bonität deutlich schmälert. Für risikobewusste Anleger eignen sich solche Titel nicht!

Renditen und Risiken im Aktienmarkt

Verbleiben also noch die Aktienmärkte, um liquide Mittel zu investieren. Da würde ich erstklassigen Aktien mit hoher Dividenden-Rendite den Vorzug vor Aktienfonds oder strukturierten Aktienprodukten geben. In Frage kommen etwa Titel wie Swiss Re, Zürich Versicherung, Waadtländer Kantonalbank, Swisscom oder Roche. Man kennt sie, kann ihre Kursentwicklung leicht verfolgen und weiss, dass sie im nächsten Frühjahr hohe Ausschüttungen vornehmen. Doch das Kursniveau an den Aktienmärkten ist hoch, die Rückschlagsgefahr gross und wenn es nach unten geht, dann tauchen auch die „Renditeperlen“ ab. Aber auch unternehmensspezifische Ereignisse können die Kurse drücken, wie zum Beispiel letzte Woche erlebt mit Sonderrückstellungen und Abschreibungen bei der Zürich Versicherung. Somit gilt auch hier: Wer Kursverluste scheut oder nicht willens ist, Aktienwerte auch mittel- bis langfristig durchzuhalten, der sollte auf dem aktuellen Niveau nicht mehr einsteigen, sondern eher aussteigen oder – und da plädiere ich für Fonds – solche Aktienstrategiefonds ins Auge fassen, die sowohl auf steigende als auch auf fallende Kurse setzen, oder gänzlich auf „short“ ausgerichtet sind.

Zinswende – eine Frage der Zeit

Aktien, Obligationen wie auch die auf solchen Werten basierenden Fonds gehören zu den klassischen Anlagen. Da würde ich, ich wiederhole mich, mit Zukäufen sehr zurückhaltend sein, eher Gewinne realisieren oder zumindest mit Stopp-Limiten absichern und liquid bleiben. In den USA zeichnet sich bereits eine Zinswende nach oben ab und sollte diese von der US-Notenbank tatsächlich eingeleitet werden und später auch auf Europa übergreifen, dann kommen diese klassischen Anlagemärkte in Bewegung. Aktien und Obligationen fallen, dafür kommen neue Anleihen mit höherer Verzinsung heraus. Und Spar- und Anlagekonten werden wieder bessere Zinssätze erleben. Summa summarum: Abwarten ist derzeit eine zweifellos taugliche Anlagestrategie!  

von Maximilian Reimann, Gipf-Oberfrick
12.11.2015