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Fahrtüchtigkeit von Senioren

Ist die Kantonsregierung vorgeprellt?

von Maximilian Reimann, Ständerat, Gipf-Oberfrick

Gemäss einer Medienmitteilung der Aargauer Kantonsregierung soll auf den 1. Januar 2012 zur periodischen Überprüfung der Fahrtauglichkeit von Autolenkern über 70 Jahren zu einem „Hausarztsystem mit Vertrauensarztfunktion“ gewechselt werden. Konkret heisst das, es dürfen weiterhin die Hausärzte die alle zwei Jahre erforderliche Kontrolluntersuchung vornehmen, vorausgesetzt sie unterziehen sich im Jahr 2011 einer verkehrsmedizinischen Weiterbildung.

Nun hat jüngst die Befristung der Führerausweise von Senioren ab dem 70. Altersjahr, eventuell verbunden mit der Pflicht zur Gesundheitskontrolle durch Amtsärzte sowie zur fahrtechnischen Weiterbildung bei Autofahrschulen, die Gemüter der älteren Generation auf Bundesebene in Rage gebracht. Die vom Bundesrat vor zwei Monaten zu Handen des Parlamentes verabschiedete Botschaft „Via sicura“ zur Erhöhung der Sicherheit im Strassenverkehr ist nun weniger rigoros ausgefallen als ursprünglich angenommen. Von einer Diskriminierung der Senioren kann nicht mehr die Rede sein. Trotzdem dürften die eidg. Räte die eine oder andere allzu forsche Massnahmen noch weiter entschärfen.

So oder so stellt sich die Frage, ob der Regierungsrat mit seiner Änderungsmassnahme nicht bis zur definitiven Revision des Strassenverkehrsgesetzes hätte zuwarten sollen? Schliesslich wird auch dieses Bundesgesetz neue Massnahmen zum ärztlichen Nachweis der Fahrtüchtigkeit enthalten. Jedenfalls macht es m.E. keinen Sinn, wenn Autofahrer aus anderen Kantonen, die sich auf aargauischen Strassen fortbewegen, anderen ärztlichen Kontrollsystemen unterstehen. Schliesslich war unsere Regierung von der öffentlichen Kritik wegen eines leidigen schweren Verkehrsunfalles, den ein über 80 jähriger Automobilist vor ein paar Jahren in Brugg verursacht hatte, zur Eile gedrängt worden.

Nun, ich habe die angeordnete Massnahme im Aargau mit dem auf Bundesebene vorgesehenen Massnahmenkatalog verglichen. Dabei gelange ich zum Schluss, dass es nicht zu Gegensätzen oder Widersprüchen kommen muss, wenn sich die Aargauer Hausärzte im Normallfall auf den Sehtest beschränken. Nur wenn andere Tatbestände wie Alkoholabhängigkeit, psychische Störungen, Arbeitsunfähigkeit, schwere Verkehrsregel-Verletzung usw. vorliegen, macht eine vertiefte Fahreignungsuntersuchung Sinn. Damit ist der Menschenwürde von älteren Leuten Rechnung getragen.